Das 15. Türchen ist geöffnet …

… und Gerd hat uns einen Text mitgebracht, der ihn nicht nur in der Adventszeit begleitet und bewegt.

Post für Herrn Ullrich

„Post für mich?“ fragt er durch die Luke. Nur wer ihn besser kennt, sieht die Anspannung in seinem Gesicht, die zusammengekniffenen Augen, das leichte Zittern der Lippen. Sein weißes Haar ist noch ungekämmt. Er geht immer nach dem Aufstehen gleich fragen. Aus dem abgetragenen Bademantel mit den verblichenen blauen Streifen schauen dünne Beine heraus, die Haut wie Pergament.

„Warten Sie“, ruft Susanne. „Ich sehe gleich nach, Herr Ullrich!“ Sie geht zu den Postfächern und schaut. „Heute nicht, Herr Ullrich.“

Würdest du danebenstehen und dieses „Heute nicht“ hören, du dächtest sofort, Herr Ullrich bekommt sonst jeden Tag Post. Aber dem ist nicht so. Herr Ullrich bekommt nie Post. Seit vierzehn Jahren wohnt er hier im Pflegeheim und seitdem hatte er noch keine Post.

Aber jeden Tag geht er zur Luke und fragt. Und dafür, wie Susanne das „Heute“ von „Heute nicht“ ausspricht, dafür hat er sie so gern.

(Doris Bewernitz)

Der Text, den Gerd für uns ausgesucht hat, stammt aus dem „Anderen Advent“, einem alternativen Adventskalender, den der gemeinnützige Verein Andere Zeiten herausgibt. Die Mitglieder wollen einer kommerzialisierten Gesellschaft etwas Spirituelles entgegensetzen: Angebote, die helfen, die Zeiten des Kirchenjahres und die christlichen Feste wieder zu entdecken und sinnvoll zu gestalten.
https://www.anderezeiten.de/aktionen/initiativen-zum-kirchenjahr/advent/der-andere-advent/

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